+++ Begrüßung durch den 1. Vorsitzenden Dr. Jan Bühner zum Curryessen am 15.02.2019 +++

„Liebe Segelkameradinnen und Segelkameraden der Segler-Vereinigung Cuxhaven, 

liebe Freunde und Gäste,

ich begrüße Sie und Euch aufs herzlichste zu unserem traditionellen Wintervergnügen, dem Curry-Essen.

 

Besonders grüße ich:

Herrn Bert Frisch vom Ocean Cruising Club,

Herrn Dr. Wolfgang Kröger von der DLRG,

Herrn Vogt von der DGzRS,

Herrn Thomas Lang, stellvertr. Leiter des Thünen-Instituts,

Herrn Ralf  Gütlein vom Nautischen Verein, 

Herrn Volker Klose von der Sail Training Association Germany,

Herrn Tiemo Röhler, MdL,

Herrn Harald Zahrte, Bürgermeister Otterndorf,

Herrn Birkhof  von TO,

Herrn Marc Itjen , Wirtschaftsförderung Cuxhaven,

Herrn Michael Brusch vom Zoll und 

Herrn Thomas  Sassen von den Cuxhavener Nachrichten.

 

Die kurze Ansprache des Vorsitzenden benennt innere Entwicklungen und Verschiebungen im Kontext des Vereins. Grundsätzlich sehe ich Vereine über die Erfüllung ihres Vereinszweckes hinaus in der Aufgabe, unsere Zivilgesellschaft zu pflegen und zu gestalten. Das Vereinsrecht war im Wesentlichen eine Frucht der bürgerlichen Revolution von 1848. In relativer Staatsferne durften Bürger sich zu gemeinsamen Unternehmungen zusammentun und sie verantworten. Dabei spielte das vorgefundene Milieu eine Rolle ebenso wie die Umprägungen, die Vereine einbrachten. Die Anregungen zum nicht-kommerziellen, also sportlichen Segeln, kamen aus dem Ausland, vor allem aus Amerika und England, wo junge Männer aus Handels- und Bankhäusern während einer Ausbildungsphase im Ausland dies kennenlernten und nach Deutschland mitbrachten. Entscheidenden Einfluss hatte Kaiser Wilhem mit seiner Marine-Fixierung. Das Grundmotto wurde rasch ‚Segeln für den Kaiser‘. Ursprünglich ließ man segeln durch bezahlte Crews. Entsprechende Riesenjachten prägten die 2. Hälfte des 19.Jahrhundert, die Eigner fuhren nur mit. Der Kaiser gab dann aber zusammen mit anderen Impulsen für die Entwicklung einer internationalen Sonderklasse, in der 3 Herrensegler die Standardmannschaft bildeten und  jedenfalls selbst segeln mussten. Ansonsten blieben die frühen Vereine in Klassenschranken befangen: der DSV nahm lange Jahre keine Mitgliedsvereine auf, die Männer als Mitglieder zuließen, die mit eigener Hand ihr Brot verdienten. Arbeiter-Segelvereine, die es seit ca. 1880 vor allem im Berliner Raum zahlreich gab, blieben in einer separierten Sonderwelt. Vieles davon ist mit dem Ende des 1. Weltkriegs und dem Abgang von Kaiser und Reich verschwunden. Unsere Segler-Vereinigung Cuxhaven wurde 1926 als bürgerlicher Verein gegründet, der grundsätzlich jedem offenstand. Tatsächlich fällt das Gründungsjahr in den aufblühenden Wohlstand nach der Inflationszeit. Segeln war zu allen Zeiten mehr oder weniger ein Wohlstandssport, machen wir uns da nichts vor. Nicht zuletzt war es in den Regularien unseres Vereins noch sehr lange vorgeschrieben, dass neue Mitglieder zwei Bürgen aus der seitherigen Mitgliedschaft beibringen mussten, die die gefestigte Solidität des Anwärters bezeugen mussten. Man ist schließlich kein Segel-Verein, sondern eine Vereinigung von Seglern, die auch ohne Verein schon was sind. Die Gefährdung durch die NS-Zeit ist für die SVC noch nicht zusammenfassend betrachtet worden, aber sie kam wohl mit relativ leichten Anpassungen an das vom Staat Geforderte durch. Aber das ist bei mir mehr Hoffnung als Gewissheit. Immerhin musste der Vorsitzende zum Vereinsführer mutieren, gab es einen Dietwart  = Deutschtumswart und in den Vereinsmitteilungen fehlte am Ende selten das ‚Heil Hitler‘. Nach dem Krieg fand eine nach wiederhergestelltem Vereinsrecht durchgeführte Neugründung statt. Der bürgerliche Grundcharakter blieb, man begegnete sich bei aller beruflichen Verschiedenheit auf Augenhöhe. Anstand, Respekt, gegenseitige Hilfe und eine gewisse Großzügigkeit blieben immer anerkannte Werte.  Der internationale Bezug wurde immer gepflegt durch Segelreisen ins Ausland und durch die Aufnahme von Gastliegern aus vielen Ländern. Ich meine also feststellen zu können, dass ein solcher Verein wie die Segler-Vereinigung Cuxhaven nicht nur einem Vereinszweck folgt, sondern auch einen inneren Wertekanon pflegt, der, wenn auch selten offen ausgesprochen, von den meisten Mitgliedern innerlich bejaht wird. 

Und nun treten wir offenkundig in eine neue Phase ein, wo vieles neu durchdacht und gefestigt werden muss. Die allgemeine gesellschaftliche Krise steht ja jedem täglich vor Augen: die Krise der großen Volksparteien, das Auseinanderdriften der Gesellschaft in sehr unterschiedliche Milieus, die Krise der Kirchen, der neu betonte Nationalismus, die Vereinzelung, die Kommunikationsverweigerung zumal zwischen den Generationen, und darin eben auch die Krise der Vereine. 

Die ehrenamtliche Struktur kommt immer häufiger an ihre Grenzen. Dies liegt auch an dem zunehmenden Durchschnittsalter der Mitglieder. Arbeitsdienst wird schwieriger. Wir versuchen einen sanften Übergang durch den ergänzenden Einsatz von bezahlten Arbeitskräften. Dieser soll die grundsätzliche Ehrenamtlichkeit nicht gefährden. 

Gravierender ist die Feststellung, dass, wie bei anderen Vereinen auch, die Vorstandsarbeit gefährdet ist, weil zumal für den Vorsitz niemand kandidieren möchte. Ich habe die Hoffnung für die Wahl eines neuen 1. Vorsitzenden Ende März diesen Jahres nicht aufgegeben, erschrecke aber immer mehr vor der Anzahl der Absagen. Wer Mitglied in einem Verein wird, sollte grundsätzlich die Bereitschaft haben, in der Vereinsorganisation mitzuwirken. Ich bin in einer ähnlichen Situation, wie sie jetzt drohen könnte, vor sechs Jahren eingesprungen und habe dies nie bereut. Es ist nicht schlimm und schwer, wir haben eine hauptamtlich besetzte Geschäftsstelle. Der Vorsitzende kommt mit durchschnittlich 5 Stunden die Woche aus und hat einen großen Stamm von Helfern um sich.

Bei einem aus Führungsnot geborenen Übergang in Marina-Strukturen wäre der Verein in der Substanz beschädigt. Ich sprach von einer Werteorientierung, die viele von uns innerlich teilen. Sie scheint immer wieder im Vereinsleben auf. Opticamps mit der Integration von Migrantenkindern wären in einer Marina schwerer durchzuführen. In der Marina zählt letztlich das Geld. Geld ist ein schlechter Wärme- und Werteleiter. Darum brauchen wir unsere Vereinigung mit möglichst viel Ehrenamt und Herzenswärme. 

Ausdrücklich ermuntere ich die Damen aus der Mitgliedschaft, über eine Kandidatur nachzudenken. Lassen Sie sich nicht von längst überholten Denkstrukturen leiten. Frauen können das und dürfen das längst. Wir wollen unseren Segelkaiser Wilhelm und seine Zeit nicht wiederhaben. Männer bringen auch heute noch manchmal eine aus dem Geschäftsleben geborgte Durchgriffsmentalität mit, die der Ehrenamtlichkeit nicht immer gut tut. Vielleicht können Frauen an dieser Stelle besser mit den Werten des Vereins umgehen.

Besonders appelliere ich an die Kameraden und Kameradinnen, die in ihrer Familie im 3. oder gar 4. Glied zur Segler-Vereinigung Cuxhaven gehören. Es gilt auch hier das alte jüdische Wort eines Rabbis, der auf die Frage, warum er als alter Mann noch Bäume pflanze in seinen Garten, deren Früchte er doch nie kosten könne: Ich habe vorgefunden und man soll auch wieder vorfinden.

Ich entschuldige mich, wenn ich Euch und Ihnen zu nahe getreten bin.  Ich antworte mit dem Apostel: anánke moi epíkeitai ‚ein innerer Zwang liegt auf mir, ich kann nicht anders‘. 

Ich danke für Eure Aufmerksamkeit und wünsche uns allen einen erquicklichen Abend!“