Neuer Glanz auf altem Rost


In einem toten Briefkasten entdeckte ich zufällig eine E-Mail des Takelmeisters, der die säumigen Mitglieder aufforderte ihre Bootslagerböcke bis zum 5. September zu bearbeiten; andernfalls drohe eine Ersatzzahlung von 150,-€. 

Prima! Ablage! - Stopp! Das sind ja nur 10 Tage bis zum Termin. Erneutes Lesen. Abwägen: 150,- € gegen 4 – 6 Stunden Staub und krummen Rücken. Muss ich mir das antun? Für einen Verein in Veränderung? Also nein!

Doch ich hatte die Entscheidung ohne ein anderes Vereinsmitglied, nämlich meine Frau, gemacht. Das geht nicht, denk an den Vereinsgedanken. Da kannst du vielleicht die neuen Mitglieder treffen, die du noch gar nicht kennst! Ich helfe dir auch! Letzteres überzeugte mich.

Anmelden bei Manfred Therkorn. In alte Arbeitssachen gequält und mit fröhlichen Lächeln zum Arbeitseinsatz erschienen. Ein rostiger Lagerbock war bereit gestellt, meterlange Elektroanschlüsse waren verlegt. Schutzbrille auf, Gehörschutz übergestülpt, Staubbeutel vor den Mund, Mütze auf, Arbeitshandschuhe an. Schleifmaschine,  bestückt mit Schleifteller, Drahtbürste oder Topfbürste? Die Frau entscheidet sich für den Schleifteller, ich für die Drahtbürste. Mal sehen wer effektiver arbeitet.

Nach den ersten Metern blank geschliffenen Metalls bemerke ich zwei weitere Mitstreiter, die lustlos aber erfolgreich auf roten Lagerblöcken herumschmiergeln. Nach dem Entstauben der Brille sehe ich auf der gegenüberliegenden Hafenseite einen Menschen, der sich in der Vormittagssonne  auf dem Balkon auf einen Liegestuhl niedersetzt. Schön, möchte ich jetzt auch. Ein Blick meiner Frau zwingt mich zum neuen Arbeitsanlauf. Doch zuvor beobachte ich den Sonnenlieger, der wohl des Lärms wegen seinen Sonnenstuhl verlässt und hinter der geschlossenen Glastür verschwindet.

Später erfahre ich, dass es wegen des Lärms, des Staubes und des Farbgeruchs Auseinandersetzungen mit den umliegenden Bewohnern der Eigentumswohnungen gegeben haben soll. So ist das eben in Mischgebieten, da muss denn schon mal der krähende Hahn des alten  Bauern geschlachtet werden, wenn der neu angesiedelte Nachbar lärmempfindlich ist.

Also weiter im Text. Der Lagerbock verliert rasch seine blaue Farbe. Dann dreht Manfred den Bock um und weiter geht´s. 

Die Hände fangen an zu zittern, der Rücken ist auch nicht mehr so biegsam.  Aber Rost und Farbe ziehen letztendlich den Kürzeren. 

Die Stützen mit ihren Rundungen, Ecken und Kanten erfordern dann noch mehrmaliges Schleifbürstenwechsel. Wenn auch nicht alles perfekt gelingt, Manfred ist zufrieden und entlässt uns nach angelockten 4-6 Stunden. Muss ich mich schämen, wenn meine laienhafte Arbeit ein wenig länger dauerte? Oder war mein Bock besonders verrostet? Für Manfred Therkorn  beginnt dann die Hauptarbeit. Bock grundieren, lackieren einstapeln, Stützen einsetzen, kennzeichnen, Arbeitsmaterial zusammensammeln, säubern usw.

Zuhause finde ich eine Mietrechnung über einen Lagerbock von 2002. Ich erinnere mich an die Diskussion: jährliche Bockmiete oder Bockkauf. Miete schlägt Kauf. Der Mietpreis ergab sich aus der Laufzeit von x Jahren. Na schön! So haben wir heute der - Corona bedingt- etwas klammen Seglervereinigung geholfen,  über die nächsten Jahre sparsam hinweg zu kommen und das gesparte Geld für andere Dinge auszugeben.

Folker Weiss