Crewvorstellung und Törnbericht der SY "Andrea Louise"


Liebe Kameraden im SVC,

Viele von euch kennen uns noch nicht, da wir erst im Januar diesen Jahres in den SVC eingetreten sind. Eine kurze Vorstellung: Wir, das ist die Crew von der Segelyacht "Andrea Louise", einer blauen Beneteau First 40.7.

 

Kris, Papa, Smutje und Mann-für-alles, Victoria, Mama und Kapitänöse, Roald, Bootsmann, Carl und Frieda, Matrosen. Seit knapp einem Jahr ist nun die First unser neues Familienmitglied. Wir haben sie in Belgien von einem Regattasegler gekauft und im Winter an zwei kalten Wochenenden von Breskens über Scheveningen und Den Helder nach Cuxhaven überführt, wo wir bei euch im SVC eine neue Heimat gefunden haben. Die Heimatvereine von Victoria sind die Søgne Seilforening in Norwegen und der Joersfelder Segel Club in Berlin, wo sie als Kind Opti und später Europe, Pirat und dann J24, J70 und J80 gesegelt ist. Kris ist in Noordwijk in Holland zum Segeln gekommen und eigentlich schon immer Dickschiff Segler. Das Vordeck und die Navigation sind seine Spezialitäten. Aber eigentlich kann man ihn überall einsetzen, denn als einziger in der Familie wird er nie seekrank, auch nicht bei vielen Meter Welle.

 

Diesen Sommer haben wir uns drei Monate Elternzeit genommen um zu segeln. Die Corona Zeit mit drei Kindern im Vollzeit Homeoffice und starker Arbeitsbelastung hat uns etwas zugesetzt und wir brauchten Zeit für uns als Familie, ohne Druck und Zwänge, ohne Einfluss von Terminen und dem Alltäglichen. So sind wir 5 - wirklich dankbar dafür, dass wir uns diesen Luxus in diesen Zeiten leisten können - im Mai in See gestochen. Ursprünglich sollte der Weg in die Bretagne zum Golf du Morbihan und zur Belle Île führen, wo wir vor ein paar Jahren den Arianes Cup gesegelt sind. Wir sind sehr begeistert von dem Revier und wollten es unbedingt den Kindern zeigen. Leider beobachteten wir monatelang, dass der Wind dieses Jahr auf der Nordsee zu dieser Jahreszeit eher selten kindertauglich war. Da wir mit unseren drei kleinen Kindern (die Zwillinge sind 4 und der Große 6) unterwegs sein würden, haben wir uns dann kurzfristig am Tag des Ablegens umentschieden und sind doch durch den Kiel Kanal in die Ostsee gefahren. Dies ist ein typisches Verhalten von Kris und Victoria: sie können sehr spontan von jetzt auf gleich komplett umschwenken und was ganz anderes machen als ursprünglich vorgesehen.

 

Auch in der Kieler Förde hatten wir am ersten Tag konstante 24 Knoten Wind und Ostsee

Kabbel Welle - 2 von 3 Kinder waren eher mäßig begeistert und die Fische konnten sich an diesem Tag nicht über zu wenig Futter beklagen. In dem Moment waren wir froh, nicht Richtung Süden gestartet zu sein. Es ging von Kiel in ca 8 Std nach Assens, ca 60sm nördlich auf Fünen, da wir eine Party Einladung bei Freunden in der Nähe hatten. Ein toller Ausgangspunkt, um zwischen den Inseln und dem dänischen Festland hin und her zu segeln. Da die Ferien noch lange nicht begonnen hatten, waren die Häfen leer und wir genossen die Einsamkeit auf dem Meer. Es ist immer wieder erstaunlich, wie sehr uns das Langstrecken-Segeln beruhigt und wie entspannend es ist, wenn das Handy kein Netz mehr hat. Auch den Kindern merken wir an, dass die Ruhe und das Fehlen der Medien nur positive Auswirkungen hat. Wir haben je nach Wetter und Wind jeden Tag spontan entschieden wo es weiter hingeht. In unserem Alltag zuhause sind wir sehr fremdbestimmt durch Kitazeiten, Termine im Büro und den ganzen Aktivitäten, die die Kinder Nachmittags haben. Für die Zeit auf dem Boot hatten wir uns nun, nach der Fahrt in die Ostsee, bewusst keine Route mehr gelegt. Wir segelten einfach dorthin, wo die Sonne schien und der Wind gut war. Wir mussten keinem beweisen, dass wir segeln können und auch nicht so viele Meilen am Tag wie möglich segeln. Auch gab's hier keinen Tidenhub der uns in irgendeiner Form zwang, früh aufzustehen. Wir haben tatsächlich jeden Tag nach dem Aufwachen oder vorm Schlafengehen beschlossen, was wir als nächstes machen. Für zwei Menschen, die voll in der Leistungsmaschinerie groß geworden sind, war das ein ziemlich zu lösender Knoten im Kopf.

 

Samsø war eine der Inseln, die wir noch in völliger Einsamkeit besuchen konnten und die uns,

vermutlich dank der Ruhe, sehr gut gefallen hat. Bei Ebeltoft angekommen, beschlossen wir,

nördlich um Sjælland nach Helsingør zu segeln, bevor dort die Round Zealand Regatta startete.

Damit war klar, dass wir auf der Ostsee bleiben und nicht doch noch zurück in die Nordsee und Richtung Süden aufbrechen würden. Auf der Strecke nördlich von Sjælland setzten wir endlich den Gennaker und konnten mit 10-12 Knoten Bootsgeschwindigkeit zwischen Dänemark und Schweden lang flitzen. Wirklich fantastisch. Helsingør war so voll, wir hatten Glück, noch einen

Liegeplatz zu bekommen. Es ging weiter nach Kopenhagen, von wo aus wir nach Höllviken in

Schweden gesegelt sind, um durch den Falsterbo Kanal weiter nach Ystad zu segeln. 

Wir haben in der Gegend einige Bekannte und konnten sowohl in Dänemark als auch in Schweden immer wieder Freunde besuchen und Klamotten waschen. Für die Kinder eine willkommene Abwechslung mit Gleichaltrigen zu spielen und zwischendurch immer wieder ein paar Tage an Land zu verbringen. Es ging weiter von Simrishamn bis Karlskrona, wo uns nicht nur einige Fregatten begegneten sondern auch auf einmal ein U Boot auftauchte. Für die Kinder ein Highlight, für uns Erwachsene ein Zeichen, dass die Schweden doch in erhöhter Alarmbereitschaft sind. Kurz zuvor hatte die schwedische Marine einen Übungseinsatz vor der Küste beendet. Schon in der Kieler Förde wurde eine Militärübung über Funk angemeldet; ehrlich gesagt löste das bei uns keine guten Gefühle aus.

 

Wir segelten bei traumhaftem Wetter weiter nach Kalmar und dann rüber nach Öland und genossen das Mittsommerfest mit einer Horde besoffener Schweden. Wir hatten einen Platz direkt neben einem Restaurant und konnten tatsächlich, als die Kinder endlich bei grölenden schwedischen Gesängen, Hitze und Mittsommersonnenschein eingeschlafen waren, allein zu zweit Essen gehen.

 

Zwischen dem Festland und Öland hatten wir zwei Tage Südwind und konnten endlich den Spi setzen. Erst hatten wir richtig Muffensausen mit den Kindern an Bord und nur 4 Händen dieses 70m2 Ungetüm hoch zu ziehen, aber Kris behauptete "das sei schließlich der kleine Spi, er hätte den Großen ja gar nicht eingepackt". Was sollte dem entgegenhalten werden! Zugegeben, wir haben die Fahrt unter Spi wirklich genossen. In diesen Momenten kommt die Jollenseglerin voll in Victoria durch. Vermutlich hat sie es da etwas übertrieben, denn auf einmal knallte irgendwas laut und der Spi wurde zur riesigen Flagge. Die Luvschot war am Spleiß gerissen und nun flatterte eine 70m2 Flagge am Mast. Da es aber noch ein paar Seemeilen bis zum nächsten Hafen waren, knüpften wir einfach mit ein paar Knoten alles wieder zusammen und zogen den Spi wieder hoch. Unsere Tochter, die gerade an Deck spielte, hat von dem ganzen Theater nix mitbekommen und war noch immer im Spiel vertieft. So viel zum Thema Gelassenheit an Bord! Es ging weiter von Borgholm (Hafen mit Zugang zum Hotelpool, für die Kinder ein super Plus!) nach Byxelkrok, einem wirklich sehr netten kleinen Hafen. Von Byxelkrok segelten wir über einen Dank viel zu warmer Ostsee gelben Algenteppich nach Visby auf Gotland. Wir hatten tollen, auffrischenden Wind und zur Sicherheit hatten wir noch die Reffs im Groß um schnell handeln zu können. Manchmal denke ich, wir haben einen sehr aufmerksamen Glücksengel, denn auch auf dieser Strecke knallte ein Spleiß am Unterliek und dank des Reffs wurde das Groß nicht zur nächsten Flagge am Mast. Wir fragten uns, ob wir in Belgien vielleicht noch einen Spleiß-Kurs anbieten, denn das ist scheinbar nicht deren Stärke. Oder hatten wir vielleicht die Kontrolle etwas schleifen lassen? Bei den Traumbedingungen die auf See herrschten, sahen wir uns unsere Faulheit nach. Auf halber Strecke kam der Gennaker hoch und wir schossen förmlich über den Algenteppich. Vor Gotland bildete sich noch eine tolle Thermik, die Kinder konnten das Pippi Långstrump Haus vom Meer sehen und wir hatten 30 Grad Lufttemperatur. Was wollten wir mehr!

 

Auf Gotland blieben wir ein paar Tage, denn wir hatten uns spontan überlegt, nach Ventspils und durch die Rigaer Bucht zu segeln. Wir nahmen mit finnischen Seglern Kontakt auf und dachten uns nach den Gesprächen, dass das eine geniale und absolut machbare Idee wäre. Nördlich genug um nicht mit Kaliningrad in Konflikt zu kommen und weit genug entfernt von St Petersburg. Aber wie so immer, kommt es anders als gedacht. Die Kinder fanden unsere Idee nicht so toll wie wir und wollten lieber nach Norwegen zu den Großeltern segeln. Unsere Tochter äußerte zudem nach 6 Wochen an Bord den Wunsch nach längeren Pausen in den Häfen. Nachdem dann auch der Motor von unserer Ankerwinsch den Geist aufgab, der Wind wieder stärker wurde und die Vorstellung, die Åland Inseln praktisch ohne Anker absegeln zu müssen nicht so richtig attraktiv war, kehrten wir kurz entschlossen um. Die neue angepeilte Richtung war, an Göteborg vorbei zu Oma und Opa nach Norwegen zu segeln. Wir blieben noch ein paar Tage bei Freunden in Färjestaden auf Öland und genossen wunderschönes Sommerwetter und die Strände neben dem Hafen. Ab da hatten wir 10 Tage Westwind und kämpften uns zeitgleich Richtung Westen zurück. An einem Tag mit Südwest legten wir eine 20stündige knappe 130 meilen Tour hin, um Strecke nach zu machen. Kurzfristig meldete die Oma, dass sie spontan auf einer Feier in Schleswig Holstein war, sie könne ja mit uns weiter segeln. Also segelten wir von Dragør statt nach Norden einfach nach Süden weiter.

 

 

Vor Klintholm hatten wir in Böen mehr als 30 Knoten Wind und setzten zum ersten Mal statt der Genua unsere kleinere Carbon Fock ein. Das sollte sich als absoluter Fehler herausstellen, denn beim Segelwechsel achteten wir nicht auf unser nicht benutztes zweites Spi Fall, welches sich, da die Fock kürzer geschnitten ist, um das Vorstag Profil legte und verhedderte. Als wir vor dem Hafen bei Wind und Welle die Fock einrollen wollten war alles verklemmt und nix ging mehr. Weder Einrollen noch runterholen, es war wie verhext, nichts bewegte sich. Bei dem Wetter konnte auch niemand in den Mast. Wir konnten nach mehreren unterschiedlichen Ansätzen am Ende nur mit purer Gewalt das Segel einrollen, dabei brach aber das obere Profilstück vom Vorstag ab und die Fock war im Unterliek gerissen und um eine Segellatte ärmer. Die Kinder fanden das Spektakel wahnsinnig spannend und fragten, ob Papa öfter vorne auf Deck rumtanzen könnte. Die Genua konnten wir nun nicht mehr setzen (es fehlte ja Profil im Top), uns blieb also nur noch die Sturm-Fock. Statt mit einem Durchschnitt von 6-7 Knoten waren wir jetzt auf 4-5 Knoten Geschwindigkeit reduziert. Der Wind wehte mittlerweile mit 37 Knoten Spitze in den Böen und wir hingen ein paar Tage in Gedser fest. Die Oma holten wir in Rostock ab und besuchten Freunde, die gerade mit einer J80 in Warnemünde angekommen waren. Da der Rigger mit Ersatzteilen in der Nähe von Bremen sitzt und wir mit dem Schaden nicht nach Norwegen weiter segeln konnten, haben wir kurzerhand das Boot nach Cuxhaven zurück gesegelt und die Ersatzteile abgeholt. Auch steht jetzt eine neue Ankerwinsch bereit, die auf Einbau wartet. Wir beschlossen kurzfristig, uns um das Upgrade unserer tollen Yacht später zu kümmern, nun aber erstmal die Familie in Norwegen mit dem Auto zu besuchen. Die Kinder waren sich sicher, dass Andrea Louise alleine zu traurig ist und haben die Kuscheltiere an Bord gelassen.

 

Für den Moment geben wir uns mit den 1200 Seemeilen zufrieden, die wir in den zwei Monaten hinter uns gelassen haben und sind froh, dass wir so viel Glück mit Wind und Wetter hatten und die Kinder eigentlich immer zufrieden waren!

 

Herzliche Grüße und auf ein nettes Kennenlernen im SVC,

Kris, Victoria, Roald, Carl und Frieda

 

 

Text und Fotos: V.Boehm